Norbert Frensch (*1960 in Mainz) studierte von 1980 bis 1986 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bei Bernd Koberling und lebt in Frankfurt am Main. Mit seinen Arbeiten ist er u.a. im Museum DKM in Duisburg, im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern, im Museum Wiesbaden, in der Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland, in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und in mehreren Privatsammlungen vertreten.
Seit mehr als 20 Jahren erkundet Norbert Frensch das Potenzial von Licht und Dunkelheit, Zeit und Raum in der Malerei, wobei er im Grunde ohne Farbe auskommt, da er fast nur mit Schwarz und Weiß arbeitet. Ausgangspunkt seiner bildnerischen Feldforschung sind stets die gleichen Motive, die er in zahlreichen Variationen und unterschiedlichen Formaten malt. Die Konsequenz, mit der er sein konzeptuelles und malerisches Rüstzeug an einem bewährten und präzise beobachteten Gegenstand immer wieder aufs Neue einer kritischen Analyse unterzieht, erinnert an vergleichbare künstlerische Ansätze bei Giorgio Morandi (Stillleben-Variationen mit gleichbleibenden Utensilien) oder Josef Albers („Hommage to the Square“-Serie).
Wenn man sich etwas eingesehen hat, glaubt man, in den „schwarzen Bildern“ eine metallisch schimmernde Schale zu erkennen, deren bruchstückhafte Gestalt in glänzende Dunkelheit getaucht ist. Außergewöhnlich ist die Inszenierung der Lichtkontraste, in der das effektvolle Chiaroscuro (Hell-Dunkel-Malerei) des Barock anklingt. Von Bild zu Bild variieren Ausleuchtung, Perspektive und die stoffliche Anmutung der Schale. Mal tritt ihre Wölbung deutlich hervor, mal lassen schmale, verschwommene Segmente ihr Volumen nur erahnen. Je nach Blickwinkel kann man über den vorderen, scharfkantig wirkenden Rand mehr oder weniger tief in das ebenso dunkle Innere der Schale schauen, die jedoch nie vollständig zu sehen ist. Nur in unserer Wahrnehmung werden die fragmentarischen Sinneseindrücke, den Gesetzen der Gestaltpsychologie folgend, zur geschlossenen Form ergänzt.
Die Ambivalenz von Fläche und Raum, von Sichtbarkeit und Imagination resultiert aus einem aufwändigen und maltechnisch anspruchsvollen Arbeitsprozess. Als Malgrund dient ein mehrfach gespachtelter und geglätteter weißer Latexgrund, auf dem Frensch mit roter Acrylfarbe eine Zwischengrundierung aufträgt. Darauf malt er in mehreren Schichten schwarzer und weißer Ölfarbe das Motiv. Anschließend lässt er von der oberen Bildkante schwarzes Dammar – ein Harz, das aus südostasiatischen Laubbäumen gewonnen wird – nach unten über die Leinwand laufen, sodass das zuvor angelegte Motiv komplett überdeckt wird. Zuletzt legt er gewissermaßen wie ein Archäologe, der behutsam Artefakte aus der Erde birgt, mit einem trockenen Pinsel das darunter befindliche Bild der Schale stellenweise wieder frei. Das muss geschehen, solange das Dammarharz noch nicht angetrocknet ist – die Eigenschaften des Materials bestimmen den Handlungsspielraum des Malers. Dieser finale Arbeitsschritt verlangt einen hohen Grad an manueller Geschicklichkeit, den Frensch sich über die Jahre angeeignet hat und der darüber entscheidet, ob das Bild letztlich gelingt oder nicht. Was bildnerisch reizvoll ist, weil es den Zufall an der Bildwerdung teilhaben lässt, birgt andererseits die Gefahr des Scheiterns. Eine falsche Bewegung oder eine Unachtsamkeit und die vorangegangene Arbeit ist umsonst gewesen. Nur wenige Bilder bestehen dieses Finish und die anschließende Qualitätsprüfung durch den Künstler. Den Status vollendeter Werke erhalten sie durch die Signatur, die Frensch jedoch erst dann vergibt, wenn die Bilder das erste Mal öffentlich ausgestellt werden. Der im Malprozess vollzogene Wechsel von Ausführung, Überdeckung und Freilegung des Motivs hält die rätselhafte Erscheinung der Schale, die mit den Augen kaum greifbar ist, in der Schwebe zwischen Auftauchen und Verschwinden, zwischen sinnlicher Präsenz und Bodenlosigkeit. In der glänzenden, endlose Tiefe suggerierenden Oberfläche der Bilder spiegelt sich der Betrachter, dessen suchender Blick zwischen Annäherung und Distanzierung navigieren muss. Die in der mehrfach geschichteten Textur der Malerei eingebettete Zeitlichkeit aktiviert zugleich einen Dialog zwischen Dauer und Flüchtigkeit.
Text von Mathias Wagner (Kurator, Staatliche Kunstsammlungen Dresden)
Weitere Informationen:
http://www.norbert-frensch.de/